C-A-F-F-E-E, trink nicht so vi-i-hiel …

Von wegen Kaffee! Tee ist das Getränk Nummer 1 in der Türkei. Türkischen Kaffee gibt’s auch, sehr guten natürlich, aber der ist seit dem Ende des Osmanischen Reiches teuer geworden. Die Zubereitung wird daher gerne – und in touristischen Gegenden ganz besonders spektakulär – in Szene gesetzt. In kleinen Blechkännchen über offener Kohle schonend erhitzt und in verzierten Tässchen stilecht serviert ist Kaffee ein kleiner Luxus und als Begleiter im Tagesablauf eher typisch für Touristen als für Einheimische.

Echte Türken sind dafür richtig trinkfest, wenn es um den intensiven türkischen Schwarzee geht. Meine erste Bekanntschaft mit Türk çayı (wörtlich “Türkentee”) war ordentlich bittersüß und wenn ich ehrlich bin, ist das bis heute so. Inzwischen hab ich meine Geschmacksknospen zwar so gut kalibriert, dass ich mit einem Zuckerstück pro Gläschen auskomme, ein bisschen herb finde ich den Çay aber schon noch gelegentlich. Vollprofis passen die Zuckermenge an die Qualität des Tees an. Je besser und frischer der Tee, desto weniger Zucker braucht er. Am Anfang bin ich zur Sicherheit gerne auf die Touristen-Version Elma çayı “Apfeltee” ausgewichen, der braucht gar keinen zusätzlichen Zucker, dafür schmeckt er oft unglaublich künstlich. Nach dem intensiven Training der letzten Wochen hab ich aber richtig Gefallen am echten Türkentee gefunden 🙂 Es ist einfach schön, wenn das Zuckerstückchen langsam zerfällt und sich im leuchtend rotbraunen Tee auflöst, begleitet vom zarten Klimpern des Teelöffelchens… Das Tulpenförmige Gläschen ist untrennbar mit dem Çay verbunden. In über 3 Monaten ist mir noch nie Tee in einem Keramikgefäß serviert worden. Meistens steht das Gläschen auf einer typischen rot-gold gemusterten Untertasse, hat ein winziges Löffelchen und ein bis zwei Zuckerwürfel als Begleitung. Dieses Bild ist mir so vertraut, wenn ich ein einziges Bild für die Türkei finden müsste, es würde definitiv ein Tee an zentraler Stelle auftauchen.

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Tatsächlich braucht man sich in den allermeisten Fällen nur genau umzusehen, um irgendwo ein Teegläschen zu entdecken, das gerade zubereitet, auf einem Blechtablett kutschiert oder genüsslich geschlürft wird. Oft genug taucht so ein Glas auch ungefragt neben einem auf, besonders im Restaurant nach dem Essen. Oder aber es steht leer und verlassen in einer Ecke, am Randstein, am Fenstersims… Der Çaycı ist bestimmt schon unterwegs, um es abzuholen.

Improvisierte take-away Teeküche am Fuße der Galata-Brücke

Çaycı bedeutet Teemacher und scheint so ziemlich der häufigste Beruf des Landes zu sein. Ob sie ganz klischeehaft mit ihren voll gepackten Tabletts zwischen den Marktständen im Grand Bazar herumflitzen oder extra seriös den feinen Kunden im Teppichladen auftischen, Tee-Männer sind allgegenwärtig im türkischen Alltag. Jedes größere Unternehmen hat mindestens einen angestellt, der sich darum kümmert, den typischen Doppeldecker-Wasserkocher unten mit Heißwasser und oben mit konzentriertem Tee gefüllt zu halten, Mitarbeiter und Kunden mit Tee zu versorgen und später die überall verstreuten Gläser wieder einzusammeln. Dabei sind sie oft schneller, als ich den Tee trinken kann. Auch das ist kulturspezifisch: Wie beim Kaffee lassen die Einheimischen auch beim Tee meist einen kleinen Schluck im Glas zurück. Anders als beim Kaffee ist mir hier allerdings gar nicht klar, warum. Ein Überbleibsel der alten Kaffee-Kultur?

Cay_1Tee ist omnipräsent in İstanbul, zieht sich wie ein roter Faden durch den Tag und ist zugleich Vergleichsgrundlage und Begleiter beim Entdecken der Alltagskultur. War der Çay im Preis für das Essen inkludiert? Wie viel hat er gekostet, war er frisch? – Mit potentiellen Teppichkunden oder in etwas teureren Läden wird traditionell bei Tee verhandelt. Möchten Sie türkischen oder Apfeltee? Stark oder leicht? Wie viel Zucker nehmen Sie dazu? … Bedürftige Menschen versuchen Nachts mit einer Thermoskanne und Pappbechern ausgestattet ein kleines Einkommen zu verdienen, große Teehäuser oder winzige Tee-Küchen mit einer Hand voll kleiner Hocker dazu finden sich an jeder Ecke, und selbstverständlich bekommt man auf der Fähre auf dem Heimweg nach einem langen Tag den Çay zum Platz serviert.

Diesen kleinen Luxus habe ich mit Freude in meinen Alltag inkludiert. Jetzt wo ich in einem kleinen Zimmerchen in Beşiktaş wohne, verbringe ich gerne den ganzen Tag außer Haus und ziehe von einem Teehaus ins nächste. Obwohl der Tee mit einem Preis von 1-2 TL (30-60 Cent) ziemlich günstig ist, lasse ich mir doch gerne sehr viel Zeit mit jedem Gläschen – immerhin ist dieser Kaffee-Ersatz sehr stark gebraut und hat durchaus eine aufputschende Wirkung. Wenn ich zu lange keinen nachbestelle, kann es schon mal vorkommen, dass der Kellner anbietet, einen zu spendieren oder ungefragt ein großer Lindenblütentee neben mir auftaucht – oh nein! 😀 Spätestens dann ist es Zeit für einen erneuten Umzug.

Wir lesen uns im nächsten Teehaus, bis dann!

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Tourist mit Tee auf der Dachterrasse eines Teppichladens.

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